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  • AutorenbildFranz Hoegl

Behandelt eine Systemtheorie des Designs nur Texte über Design?

Design als Adressenarbeit zu verstehen (siehe letzten Eintrag), also auf Fragen im Kontext der Unterscheidung Inklusion/Exklusion zu beziehen, bedeutet, Design als kommunikatives Phänomen zu betrachten.

Ich denke, bevor ich weiter ausführen kann, was Design m.E. mit Fragen rund um die soziale Adresse zu tun hat (und nur vermittelt mit all jenen Unterscheidungen, die üblicherweise zunächst mit „Design“ verbunden werden, wie Nutzer/Funktion, Material/Gestalt, Entwurf/Gebrauch, Form/Funktion usw.), sollte ich – im heutigen Eintrag – diese einschränkende Bezugnahme von Design auf Kommunikationsprobleme erläutern. (Nur als Ausblick auf folgende Einträge: Ich werde noch eine Schleife zur Frage der Form des Designs im Sinne seiner Unterscheidung von anderen kommunikativen Phänomenen ziehen müssen, um dann endlich auf mein „Kernthema“ sprechen zu kommen: Die soziale Adresse in Zeiten der Hochmoderne, ihre spezifischen Herausforderungen und Unwahrscheinlichkeiten, und wie all das zu einem Problem umgeformt wird, dass – unter anderem – durch Design gelöst wird).

Anstatt den vielen Definitionen von Design eine weitere hinzuzugesellen gehe ich im Folgenden davon aus, dass sich eine Beobachtungsform „Design“ – also: eine spezifische Form des Beobachtens der Welt – ausdifferenziert hat, die dabei beobachtet werden kann, wie sie sich selbst laufend unterscheidet von dem, was sie nicht ist. Designkommunikation bestimmt selbst, „was“ Design ist. Unabhängig davon, wie dieses „was“ dann von Beteiligten mit Sinn angereichert wird. An die Stelle der Frage „Was ist Design?“ tritt also die Frage, wie dieses Was durch das Design selbst erzeugt wird. Ich folge damit jener Methode, die Luhmann mit Bezug auf das Religionssystem, (Luhmann, Niklas (2002): Die Religion der Gesellschaft, Frankfurt/M: Suhrkamp, S. 14) wie folgt formuliert: „Sobald jemand meint, sagen zu können, was Religion ist und wie man Religiöses von Nichtreligiösem unterscheiden kann, kann im nächsten Augenblick jemand kommen und dieses Kriterium (etwa den Bezug auf den existierenden Gott) negieren und genau dafür religiöse Qualität in Anspruch nehmen. Denn was sonst soll es sein wenn nicht Religion, wenn jemand das negiert, was jemand für Religion hält? Das Problem liegt nicht, wie Wittgensteinianer meinen könnten, in einem allmählichen Ausweiten von ‚Familienähnlichkeiten‘ und auch nicht (das war Wittgensteins Ausgangspunkt) in der Unmöglichkeit einer treffenden Definition. Vielmehr scheint, aber das soll hier zunächst nur als eine Vermutung vorgetragen werden, Religion zu jenen Sachverhalten zu gehören, die sich selbst bezeichnen, sich selbst eine Form geben können. Aber das heißt dann auch, dass die Religion sich selber definiert und alles, was damit inkompatibel ist, ausschließt. Aber wie das, wenn es zum Beispiel um andere Religionen, um Heiden, um die civitas terrena, um das Böse geht? Selbstthematisierung ist nur mit Einschließen des Ausschließens, nur mit Hilfe eines negativen Korrelats möglich. Das System ist autonom nur, wenn es mitkontrolliert, was es nicht ist. Angesichts eines solchen Sachverhalts kann Religion extern nur im Modus der Beobachtung zweiter Ordnung, nur als Beobachtung ihrer Selbstbeobachtung definiert werden — und nicht durch ein Wesensdiktat von außen.“

Was auch immer Design sein mag, es soll im Folgenden nur Gegenstand der Untersuchung sein, sofern es selbst, anhand von Spuren (Handlungen, Artefakten, Stilen, Diskursen, etc.), als operativ wirksames Moment von Kommunikationsprozess erschlossen wird. Weniger verdreht formuliert: Design bietet irgendwie typische Formen an, auf die sich Bewusstsein und Kommunikation auf je eigene Weise einen Reim machen.

Damit ist, das nur zur Erinnerung, übrigens nicht zugleich mitentschieden, Design als System aufzufassen (zur „Systemfrage“ komme ich in späteren Einträgen zurück, klar).


Design als Kommunikation aufzufassen bedeutet dabei gerade nicht, „textualistisch“ das Sprechen und Schreiben über Design zu untersuchen (Vgl. aber in diesem Sinne die Kritik der Systemtheorie bei Reckwitz, Andreas (2010): Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken, in: Ders. (2010): Unscharfe Grenzen, Perspektiven der Kultursoziologie, Bielefeld: transcript, S. 97 – 130). Es bedeutet vielmehr, Design als eine spezifische Weise zu beobachten, wie Ereignisse sich verketten, indem sie Weltverhältnisse als Designobjekte behandeln um an diesen Designobjekten Information und Mitteilung zu unterscheiden. Es stellt m.E. also ein Missverständnis des systemtheoretischen Ansatzes dar anzunehmen, die Systemtheorie wolle (oder könne) es ‚nur mit Texten’ zu tun haben. Zu diesem Urteil kommt es, wenn man sich Kommunikation als einen Wechsel von Sprechhandlungen (und: nur von Sprechhandlungen!) vorstellt, und nicht, mit Luhmann (wie gesagt: es geht immer auch anders. Nur nicht in diesem Blog), als schiere Abfolge von Ereignissen, die an vorangegangene Ereignisse anschließen und dabei Selektion und Information registrabel werden lassen – als Formen in ganz unterschiedlichen Medien, Schrift und Sprache sind nur zwei unter vielen. So wie sich z.B. bildende Kunst entlang von Kunstwerken bzw. durch Stile reproduziert, und nicht durchs Sprechen über Kunstwerke oder Stile.

Aus der Voraussetzung, Design als ein kommunikatives Phänomen aufzufassen folgt also keineswegs, im Folgenden auf die neugierige Untersuchung von Designartefakten und ihrer Nutzungszusammenhänge, ihrer Herstellung und Nutzung zu verzichten, und stattdessen nur Texte über Design zu durchforsten – ganz im Gegenteil! Jedoch sollen diese Gegenstände als Resultate und Anlässe von Unterscheidungsleistungen beobachtet werden. Von Unterscheidungen, über die auch Bewusstseine nur verfügen, sofern sie Kontakt mit (Design)Kommunikation halten. Dass etwa der Thonet-Stuhl Nr. 14 ein „Designklassiker“ ist, erfährt man nicht durch das Abtasten seiner Oberfläche – es muss einem gesagt worden sein. Und ebenso, dass er – aus einer nostalgisch formatierten Sicht – „gemütlich“ ist. Ausgerechnet diese Einordnung war ursprünglich weder Planungsziel des Herstellers noch das Erleben der damaligen Nutzer. Der Thonetstuhl Nr. 14 war gerade nicht für lange Episoden gemütlich-bürgerlichen Zusammenseins gedacht, sondern für ein schnelles Kommen und Gehen im Cafehaus. Vg. Selle, Gert (2007): Geschichte des Designs in Deutschland, S. 55: „Dass heute Liebhaber des Modell Nr. 14 wegen seines Alters und nachgedunkeltem Holzes ‚gemütlich’ finden, beruht auf einer Eintrübung des Geschichtsbewusstseins von Gebrauchern (...). Vor knapp anderthalb Jahrhunderten kündigte Nr. 14 das Ende der Gemütlichkeit an.“ Die Einführung des Nr. 14 knüpfte also einerseits an vorangegangene Design-Formate an – es war ohne Erklärung verständlich, dass es sich um ein Sitzmöbel handelt –, um bereits eingeübte Erwartungen zur Profilierung neuer Unterscheidungen zu nutzen: Was denn, keine Armlehnen?

Wenn es im Folgenden also um Design als kommunikatives Phänomen geht, geht es gerade nicht um Design als Thema von Kommunikation, sondern als ihr Medium, als ein Mittel, durch das sich Kommunikation fortsetzt und so zur Autopoiesis der Gesellschaft beiträgt.




Kann unbequem werden: Thonet Nr. 14, 36 mal auf einen Kubikmeter.


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